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Joseph Beuys

Joseph Beuys, der plastische Kreator und synkretistische Denker, wäre im Mai 2001 80 Jahre alt geworden. Zu Ehren dieses wirkungsmächtigen Künstlers gab der Kunstverein Schloss Wrodow im Jahre 2001 ein Kunstfest unter einem Aspekt, der im Bewußtsein der Öffentlichkeit neben Fettecke, Filz, Honigpumpe und Straßenbahnhaltestelle in den Hintergrund getreten ist und den der Grenzgänger selbst so beschreibt: "Mein Weg ging durch die Sprache ..." Und weiter: " ... ließ mich entscheiden für die Kunst, allerdings für eine Kunst, die mich zu einem Begriff des Plastischen geführt hat, der im Sprechen und Denken beginnt, der im Sprechen erlernt, Begriffe zu bilden, die das Fühlen und Wollen in die Form bringen können und werden". Die Werke und Aktionen von Beuys beziehen ihre Wirkungskraft aus der gesprochenen Sprache des Künstlers mit ihrem Totalitätsanspruch, der ständigen Mahnung, das Ganze zu sehen, Verantwortung zu übernehmen, Universalist zu sein.

In seiner Installation "WAS TUT NOT" waren und sind von Sylvester Antony ähnlich den Thesen Luthers Beuys-Zitate als Illustration an der neuen Kunsthalle in Wrodow zu sehen. Dabei erweisen sich die Beuys-Aussprüche nach wie vor als provozierend und gesellschaftlich hochaktuell. Sie fordern auf, aus der Sicht des Künstlers gesellschaftliche Prozesse neu zu überdenken und durch Kreativität eine "Wärmeplastik" zugunsten verwundeter, erkalteter Gesellschaftssysteme zu schaffen.

Der in Neubrandenburg aufgewachsene Schauspieler Teo Vadersen collagierte ein Gespräch zwischen Beuys und Michael Ende über Kunst und Politik (erschienen im FIU-Verlag Wangen) zu einem Szenarium im Wrodower Kuhstall. Beuys zu Michael Ende im Februar 1985: "Sie kommen immer wieder auf diesen Scheiß-Künstler zurück, diesen Verbrecher, dieses Arschloch, diesen impotenten Hund, der doch alles verhindert, der die Umwelt verschmutzt - natürlich nicht, weil er Klavier spielt, sondern weil er es versäumt, auch noch darüber nachzudenken, was an der Schwelle passiert ist mit seiner Kunst: dass er eben noch sehr viel mehr leisten muss, als - sagen wir mal - Virtuose auf dem Klavier zu sein. Jenseits der Schwelle wird vom Menschen mehr gefordert ..." Dass eine solche Haltung schwere Auseinandersetzungen provoziert, verwundert nicht. Jörg Boström, später Professor für Intermedia/Fotografie an der Fachhochschule Bielefeld, hat die Kämpfe um Beuys an der Düsseldorfer Kunstakademie von 1966 bis 1970 fotografisch begleitet. Er zeigte in seiner Ausstellung "Ihr fühlt euch gestört, weil ihr unfruchtbar seid" Beuys mit seinen Schülern in Aktion. Im Oktober 1972 erhielt der angestellte Professor Beuys vom damaligen Wissenschaftsminister Nordrhein-Westfalens die fristlose Kündigung. Der junge Wissenschaftsminister hieß Johannes Rau. Wir haben den Bundespräsidenten angesichts des Zeitsprungs von 30 Jahren - vielleicht etwas provozierend - gefragt, ob er denn heute noch ein Beuys-Gegner sei. Johannes Rau hat im September 2001 geantwortet:

"Sehr geehrter Herr Bauer,

.... Ich will Ihnen gern schreiben, weil Ihre "eher rhetorische Frage" mich doch ein wenig ratlos macht: Sie fragen, ob ich noch ein Beuys-Gegner sei. Und ich antworte gern: Nein, das bin ich nie gewesen. Ich habe vor fast dreißig Jahren eine hochschulrechtliche und hochschulpolitische Auseinandersetzung mit Joseph Beuys gehabt, die aus meiner Sicht und nach meinem Verständnis nach vielen vergeblichen Gesprächen und Gesprächsversuchen und nach mancherlei Vermittlungsbemühungen - etwa von Willy Brandt oder Heinrich Böll - unvermeidlich schien. Natürlich hat es während dieser Auseinandersetzung von beiden Seiten auch polemische Worte gegeben - sie haben uns aber nicht voneinander getrennt, denn wir sind weiter im Gespräch geblieben, und ich habe es auch für ein Zeichen der Versöhnung gehalten, daß ich, als die DDR noch existierte, im damaligen Ost-Berlin eine Beuys-Ausstellung in Gegenwart von Eva Beuys eröffnen konnte. Ich fände es schön, wenn bei den Dokumenten, die Sie in Wrodow zeigen, auch das Manuskript meiner Eröffnungsrede wäre und nicht nur das Kündigungsschreiben. Dann wäre deutlich, wie hoch mein Respekt vor dem Werk von Joseph Beuys war und ist, wo die Grenzen des Verständnisses liegen und daß ich die Fokussierung auf die Auseinandersetzungen aus dem August 1972 für eine unzulässige Verengung halte. Im übrigen glaube ich, daß Heiner Stachelhaus, den Sie in Ihrem Brief zitieren, die Dimension dieses Konfliktes einigermaßen deutlich und ziemlich genau beschrieben hat. Ich fühlte mich jedenfalls von ihm immer auch dann gut verstanden, wenn er meine Meinung oder meine Rechtsauffassung nicht teilte.

Dem Kunstfest, das Sie Mitte September in Wrodow veranstalten, wünsche ich in der Erinnerung an Joseph Beuys viele neugierige, staunende, engagierte und kritische Besucherinnen und Besucher. Dem gelten alle meine guten Wünsche.

Mit freundlichen Grüßen bin ich

Ihr Johannes Rau"

Wir haben die Rede von Johannes Rau in Ost-Berlin zur Eröffnung der Ausstellung "Beuys vor Beuys" den Besuchern in Wrodow zugänglich gemacht.

Treten Sie nun ein in Jörg Boströms Ausstellung "Ihr fühlt euch gestört, weil ihr unfruchtbar seid".

Im Sommer 2002 besuchte der "Omnibus für direkte Demokratie", noch iniitiert von Joseph Beuys, das Kunstschloss Wrodow und bot uns eine Zusammenarbeit an. Der OMNIBUS mit seinem unermüdlichen Einsatz für die Beteiligung des Volkes an gesellschaftlichen Entscheidungen versteht sich nicht als Politik, sondern als Kunst im Sinne der Arbeit an der Sozialen Plastik.
Der OMNIBUS kämpft seit 1987 für die Einführung der bundesweiten Volksabstimmung. Aktuell unterstützt er das bayerische Volksbegehren gegen Menschenklonen, die Volksinitiative "Freie Schule" in Schleswig-Holstein und vieles andere mehr.

Bilder vom Besuch des Omnibus

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